Waldgeschichten

Damwild
Birkenwald
Damwild Lichtung
Damwild gerissen
Wolfsbau

Die Geschichten sind aus dem alten Blog der Flämingerei von 2013, der leider abgestürzt ist. In dem Blog ging es um den Weg zur Selbstversorgung in zehn Jahren und die Liebe zum Wald. Einige Geschichten konnte ich noch retten.


Zum späten Nachmittag eine Spur im Wald. Durch den feuchten Boden konnte man den Fußabdruck eines Wolfes sehen aber auch anderes Wild. Nachdem wir letzte Woche das Zuhause vom Wolf entdeckt haben, war klar, dass sich irgendwann unsere Wege mal kreuzen würden. Wir nahmen die Verfolgung auf, als wir Blut und Fell im Gras sahen. Wir benutzten wieder die Wildwege und die Hunde schnüffelten hörbar. Die Spur war frisch, es muss am frühen Morgen passiert sein. Während wir durch die Wege schlichen und den Hauptweg schon lange verlassen hatten, spähte ich in die Ferne, denn ein Kolkrabe rief Alarm. Es dauerte nicht lange und mehrere schwarze Waldpolizisten erhoben sich in die Baumwipfel und kreischten verärgert. Wir Zweibeiner wussten also schon vor den Hunden, dass es nicht mehr weit sein konnte und da dieses Mal kein Hobbyjäger, sondern der Wolf als Jäger in Frage kam, war das Wild auch definitiv tot als wir ankamen. Wir hielten uns nicht lange auf, obwohl alle anderen Waldbewohner sich schon die Reste geholt hatten, aber das Gekreische der Kolkraben war so durchdringend und unheimlich, dass uns die Ohren weh taten. Sie begleiteten uns noch ca. 15min, um sicher zu gehen, dass wir uns weit genug entfernt hatten, um dann mit einem monotonen Krah-Krah sich wieder zum Opfer zu begeben. Ein Wachposten blieb uns noch bis zum Feld als Begleitschutz erhalten, bis auch er mit einem Entwarnungsruf zurück zum Corpus Delicti flog.

*

Anfang September werden die Waldrunden immer kleiner am frühen Morgen vor der Arbeit, die Dunkelheit klammert sich an der Zeit fest und Nebelschwaden ziehen über die Felder. Durch die Feuchtigkeit sind die Sonnenaufgänge schon fast dramatisch und erstrecken sich im blutrot mit schwarzen Nachtfetzen am Himmel. Die Wildschweine sind wieder in die Wälder gezogen, da die Felder gestoppelt sind und das Damwild formiert sich in Grüppchen. Auf einer kleinen Wiese, ich nenne sie Kürbiswiese, da sie gern als Kompoststelle missbraucht wird, stehen 2 kleine Damtiere. Der Wald hört hier auf und die Morgensonne durchbricht den Nebel. Es sind die Kleinen von diesem Jahr, aber Sie sind Jungspunde geworden und albern. Sie spielen und tollen und reiben ihre Köpfe aneinander als wollten sie ihre Kräfte messen, dazwischen wieder ein Gespringe, Getanze und ein Trinkpäuschen an einer Pfütze bis eines von beiden mit einem übertollen Satz auf das andere springt, unterbricht und wieder Anlauf nimmt und sie wieder miteinander kappeln. Irgendwann ist auch die Geduld eines Jagdhundes am Ende, egal wie sehr ich ihn ermahne, und ein lautes Bellen bricht aus ihm heraus. Irgendwo stand Mama Damwild am Wiesenrand und ermahnt zur Vorsicht und die beiden verschwanden. Übrig blieb der spielerische Geruch, den die Hunde genüsslich aufsaugten.


Sonnenaufgang Feld
Herbst
Wildvögel
Kranich
Steinpilze

Die 3. Septemberwoche bringt mit aller Gewalt den Herbst. Man kann ihn schon riechen die morgendlichen und abendlichen Spaziergänge vor und nach der Arbeit reduzieren sich fast gen null, da die Dunkelheit immer mehr nach dem Tageslicht greift. Der Reiz zwischen dem Sommer und dem Herbst zeigt sich nun eigentlich durch die beginnende Laubfärbung. Die schwebenden Netzstricker, die sich zwischen den Bäumen und Gräsern zaubern und den Tau einfangen, werden dadurch ungewollt sichtbar. Noch ist kein kompletter Farbwechsel zu sehen aber man spürt das Ende der warmen Tage, alles trägt sich nur noch. Kein neues Wachstum will mehr folgen. Unser Wolf geht sein Revier nicht mehr ganz allein ab. Nachwuchs hatte sich dieses Jahr angekündigt und lässt sich nach dem Nachtregen auf dem Weg ausmachen, als dieser sich gabelt. Ende September zeigt sich der Herbst schon im leichten gelb. Die einstelligen Nächte unter 5 °c vor einer Woche verleitete die Bäume ihre Koffer zu packen und nun gibt es kein Zurück mehr, obwohl die Nächte jetzt wieder im zweistelligen Bereich von 15°C liegen. Es geht ein warmer Wind und dicke, graue Wolken ziehen schwer bepackt vorüber und es will nicht abreißen. Ein ideales „Drachen steigen“ Wetter oder auch eine schöne Waldrunde mit den Hunden zu der wir uns entschließen. In einem nahen gelegenen Walde, wo im Frühjahr die unwiderstehlichen Balsampappeln ihr Aroma versprühten, wedeln jetzt die Birkenblätter wild um uns herum und ein Gekreische durchdringt die ansonsten ruhige Waldstimmung. Wir beschließen zu der Lichtung zu laufen, um uns das näher anzusehen und wieder muss ich mich ärgern die Kamera vergessen zu haben. Während uns im Sommer zwei Kranichpärchen auf den Wiesen die Treue hielten, waren diese hier nicht mehr zu zählen. Die saftigen feuchten Wiesen um uns, hatten bestimmt einige abwechslungsreiche Snacks in petto, vor allem die hüpfenden Grünlinge (Frösche) und Kröten waren gerade auf den Weg, als sie sich durch die Berge von Kranichbeinen kämpfen mussten und der ein oder andere den Magen des Fliegers füllt. Ein wildes Durcheinander an der Sammelstelle ließ erahnen, dass fast alle das Mahl beendet hatten und der Aufbruch nahte. Es kamen immer noch mehr dazu, die ebenfalls mit einem großen „ Hallo“ begrüßt wurden. Der Wind blies auf der Lichtung noch heftiger und die Federn wurden durch gewirbelt. Einige hielt es schon nicht mehr auf dem Boden. Ein tänzerisches Schauspiel mit einer Akustik, die den Hunden anscheinend auf die Nerven oder Ohren ging denn sie sträubten sich, noch länger dem Treiben zu zusehen. Auf dem Rückweg konnte man sehen wie Birnen, Äpfel und die letzten Brombeeren in relativ kurzer Zeit von einer Woche noch versuchten reif zu werden und die Pilze schrauben sich wie ein Teppich aus dem Boden. Der Wind peitscht die letzten Pfirsiche und Pflaumen von den Bäumen und nur noch vereinzelt möchte eine Nacktschnecke in meinen Beutel wandern. Als dann Ende Oktober doch noch die Pilzsaison startete, hatte niemand damit gerechnet, dass man den Pilz vor Pilzen nicht sah. Es waren Unmengen und ebenso viele blieben unentdeckt, so dass sie Ausmaße annahmen, die einem Mittagsteller entsprachen. Unser Dörrautomat stand nicht mehr still.

*

Der Monat endet im goldenen Oktober. Morgens im Nebel hören wir wie im letzten Jahr die Kraniche schreien. Eine Woche früher als ich dachte. Letztes Jahr habe ich die Kamera vergessen und dieses Jahr war ich auf der anderen Seite 4km entfernt. Die Wanderrunden sind ein Genuss bei dem Wetter. Schon das 3. Wochenende verzückt mit seinen Lichtblicken und das Laub kommt langsam in Fahrt, da die Nächte schon zu kalt sind. Ein Steinadler saß über mir. Was für ein Foto wäre das gewesen, aber eh die Kamera ihn richtig erfassen kann, flog er auf Abstand. Der Herbst macht auch die Zecken wieder mobil, derweil schlummert aber ein ganz anderer Feind im Wald und wartet wie die Zecke auf Tier und Mensch. Anders wie die Zecke kommt das Biest aus der Luft und versucht penetrant zu landen. Irgendwann ist man so genervt, dass man sie sitzen lässt. Darauf wartet sie, die Fliege dockt an. Wenn sie zubeißt, wird es schmerzhaft und diverse Nebenwirkungen stellen sich ein. Das Bakterium, das sie überträgt, hat einen wunderschönen Namen. Die Nebenwirkungen, die es auslöst sind eher beängstigend. Die Hirschlausfliege ist noch recht unbekannt aber eben nicht selten an Waldrändern, Weiden und Feldwegen an zu treffen, daher sollte die Bekleidung auch an warmen Herbsttagen lang sein, auch wenn sie gern den Nacken bevorzugt.

Meister Lampe
weißes Damwild
Fuchs
Abendlicht
Damhirsch

Der Wald färbt sich braungrau, die Hasen ziehen ihr Winterkleid an und da noch kein Schnee liegt, flitzen helle Wollknäule durch den Wald, natürlich viel zu schnell für die Kamera. Auch das Wild hat sich den dunklen Mantel angezogen und ist im Wald von einer Buche nicht zu unterscheiden. Nur der Fuchs trägt leuchtend rot, ein wahrer Farbtupfer im Feld- und Waldgrau, denn er hält Ausschau nach einer Braut. Es ist wieder einer dieser Morgen, frostig und suppig aber die Sonne steigt und frisst den Nebel auf. Ich denke an die Hirsche, und wir beschließen durch den südlichen Wald zu gehen, um nach zu schauen. Bingo! Auf einer Anhöhe können wir die 2km entfernten braunen Punkte erkennen. Die Hälfte der Strecke liegt in einer Senke, so dass wir geschützt bleiben und es ist windstill. Unser Biobauer hat letzte Woche Schlempe gefahren, die Landluft ist sehr aromatisch. Wenn wir Glück haben, wittern sie uns nicht. Wir schaffen es unerkannt in Kamerareichweite zu gelangen und ein besonders charismatischer Hirsch posiert für mich.

*

Wir wollen es genau wissen. Es ist einer dieser stürmischen Tage, an denen man im Wald vorsichtig sein muss. Die Kiefern könnten brechen und das Wild könnte überrascht sein, weil sie uns nicht riechen können. Ein Plan muss her. Während Vögel und Hühner mit rot und weiß Probleme haben (Hühner flippen dabei total aus), können Hunde und Reh-Damwild blau/weiß und gelb besonders gut sehen. Alle anderen Farben sehen sie in Grauabstufungen. Wir tarnen uns in orange/schwarz, so dass uns aber der Jäger nicht übersieht. Es sind 4 Wege durch den Wald. 2 am Waldrand entlang gegen den Wind und die beiden anderen durch den Wald mit dem Wind damit Wolf, Wildschwein und Co. uns gut riechen können. Der zweite Weg wurde gleich zum Volltreffer. Bei +4°C aber Gegensturm und somit gefühlte -14°C erstarren die Finger. Die ganze Männertruppe vom letzten Jahr und das weiße Wild. Noch zu jung, um ein Geweih zu tragen.  Aus dem Wald droht Gefahr, so dass sie sich immer mehr in unsere Richtung bewegen und dank unserer Farben nicht direkt erkennen können. Langsam bewegen wir uns auch auf sie zu. Herrliche Fotos entstehen und zum Schluss merken sie uns doch, da die Nerven der Hunde überspannt sind und sie zu singen anfangen. Da im Wald auch Gefahr wittert, rennen sie uns entgegen, um dann in ein anderes Waldstück zu gelangen. Toppen kann das jetzt nur noch eine Nahaufnahme mit Wimpernaufschlag. Es wird ein herrliches Video. Nachdem wir der Fluchtspur gefolgt waren und die Hunde wie ein Staubsauger alles in sich aufsogen, beschlossen wir den 3. und 4. Weg trotzdem noch zu gehen. Weibliches Damwild wird ja die Herren nicht geängstigt haben, dann bleibt ja nur noch ein Jäger in Form von zwei oder vier Beinen. Uns würde noch ein Wildschwein ängstigen, aber einem Damwildhirsch nicht und so gingen wir wieder in den Wald hinein. Die Nasen der Hunde gingen sofort wieder in den  Suchmodus, denn die Spur war frisch. Durch den starken Regen, konnte auch ich bald sehen, wer den Weg entlang schlich. Es hatte sich auch im Wolfsrudel herumgesprochen, das weiße Wild wird es nicht einfach haben. Wir beeilten uns jetzt, denn Wildschwein, Wolf und Co. möchten wir nur gesichert begegnen.

Eichhörnchen
Sonnenuntergang
Eichhörnchen
Wildschwein
Winter

Der Morgen war noch frostiger, der November lässt es auf seine letzten Tage noch mal richtig krachen. Alles ist weiß gefrostet und die Wachteln stehen Schlange und verstehen nicht, warum sie seit 2 Tagen nicht in den Garten dürfen. Ich mache ihre Tür auf, mal sehen, ob ihnen das heute Abend eine Lehre war bei der Kälte. Die Hunderunde ist früh dann besonders schön, knackig kalt und alles weiß vereist. Die Sonne will gerade aufgehen und färbt den Himmel in den schönsten Farben. Der Blick der Hunde wandert nach oben. Zwei Eichhörnchen spielen verstecke. Sie umkreisen den Baumstamm und hüpfen hin und her. Jeweils der eine animiert den anderen, sie necken sich, hopsen um die Wette, laufen aufeinander zu, um dann wieder hinter dem Stamm sich zu verstecken, nach unten, nach oben. Die Puschelschwänze wackeln wild hin und her. Wenn das Zweite keine Lust mehr hat, dem anderen zu folgen und aufgeben will, setzt sich das Erste auf einen Ast und tut so, als hätte es eine Nuss zum Knabbern, so dass der andere erneut das Spiel beginnt. Das Spiel dauert bestimmt 5 min, und wir spüren die Kälte nicht mehr, so faszinierend ist der Anblick. Dann verschwinden sie tänzeln über die Äste der tiefer liegenden Bäume und mein Blick wandert wieder zum Sonnenaufgang.

*

Der Wald versucht seine Wunden zu verstecken und lässt das Moos über die gebrochenen Baumstümpfe wachsen. Wie ein Flokati Kissen wirken die Baumstümpfe auf dem Waldboden und auch einige Stämme werden gleich mit überzogen. Bei unserem üblichen Wald Agility bleibe ich mit dem Schuh im Geäst des umliegenden Baumes hängen. Ich bücke mich, um den Schuh neu zu schnüren und mache den anderen gleich mit. Als ich den Kopf hob, steht das weiße Damwild keine 40m vor uns. Keiner bewegt sich. Es ist nun deutlich zu sehen, dass es eine Dame geworden ist und als ich den Reißverschluss zur Kamera öffnen will, erschreckt es sich bei dem Geräusch. Erst gute 100m weiter bleibt es kurz stehen, die Nahaufnahme hat es mir nicht gegönnt. Die Hunde sind immer noch regungslos und still. Wenn die Wölfe auch so verblüfft sind bei dem Anblick hat es gute Chancen doch zu überleben.

Wir gehen wieder gemeinsam in den Wald aber heute nur eine kleine Runde, max. 2km vom Ort entfernt. Es ist Kaffeezeit und auf einer Lichtung werden wir alle überrascht. Keine Vorwarnung durch Gerüche oder Geräusche. 3 Wolfswelpen. Meinen Herzschlag spüre ich in jeder Zelle meines Körpers. Der Adrenalinspiegel schnellt in die Höhe, was die Hunde veranlasst, sich zu mir umzudrehen; ihr Blick verharrt einen Augenblick zu lange und fixiert etwas hinter mir, bevor sie sich wieder den Welpen zu wenden. Vor meinem geistigen Auge läuft sofort ein Programm mit verschiedenen Optionen und Ergebnissen ab. Steht das Rudel hinter uns nein/ja, werden wir beobachtet nein/ja, gibt es einen Baum zum erglimmen, nein/ja, ein erreichbarer Hochsitz nein/ja, Hunde ableinen nein/ja. Flucht?- auf keinen Fall. Es wäre nicht ungewöhnlich, dass Welpen in ihrer Kinderstube alleine sind und das Rudel Streifzüge macht. Was aber wenn nicht und sie uns schon beobachten und abschätzen, wie sie sich verteidigen, weil wir in ihr Revier eingedrungen sind. Die Welpen unterbrechen ihr Spiel, starren uns an und wackeln davon in den Wald. Langsam bewegen wir uns vorwärts, die einzige Option, die ich für unbedenklich halte, ich habe Pudding in den Beinen. Als wir den Hauptweg erreichen, schaue ich mich um, nichts! Wir nehmen die "Beine in die Hand" und dann rennen wir ins Dorf, was das Adrenalin meinerseits hergibt. Kurz vorm Ort erwischen wir noch eine Rotte junger Wildschweine. Was für ein Tag, aber uns kann nichts mehr schocken, die Hunde reagieren gar nicht, sie rennen in ihrer Spur, wir fühlen uns wie beim Schlittenhunderennen. Die Wildschweine fühlen sich von uns überrollt und rennen ebenfalls im Schweinsgalopp davon.

Baum
Sonnenaufgang
Meister Lampe
Vollmond
Wald

Der Wald ist an heißen Tagen wunderbar kühl, so dass wir den Nachmittag gern zum abkühlenden Spaziergang nutzen. Während jeder gedankenversunken das Gras beobachtete, stand keine 100m vor uns ein Damhirsch. Als wir ihn erblickten, blieben wir wie angewurzelt stehen. Er stand da wie ausgestopft, nichts bewegte sich. Einen kurzen Moment überlegte ich, ob es ein Scherz ist, denn er wirkte wirklich ausgestopft. Die Hunde sagten keinen Mux, sondern setzten sich brav hin und starrten stumm. Keiner bewegte sich und ich überlegte, wie wohl ein Hirsch aussieht, wenn mir ein Damhirsch aus der Nähe und mit Kopfschmuck schon so beeindruckend vorkam. Mir kam die Überlegung ihn zu fotografieren, da er sich immer noch nicht bewegte. Dazu musste ich aber etwas näher ran. Die Hunde gingen nur so viel mit, wie ich auch wagte. Nach 2 Fotos, die ihn nur mit Lupe erahnen ließen, wurde es dem Damhirsch zu viel; er stampfte kurz auf und wie vor Ehrfurcht erstarrten wir. Ich kramte in meinem Gehirn, ob er gefährlich werden könnte mit seinem Messerblock auf dem Kopf oder ob es sich nur um Drohgebärden handelte. Es blieb unschlüssig in meinem Sammelsurium an Wildwissen, und ich wünschte mir einen Zaun, jetzt! Er bewegte seinen Kopf und stampfte noch zweimal, um der Sache Nachdruck zu verleihen. Wir entschieden uns den Rückzug anzutreten, wobei die Hunde schneller wegwollten.

*

Das Jagderlebnis

Die Jagd ist ein komplexes, polarisierendes Thema, aber wie so oft im Leben, gibt es welche, die es richtig machen und welche, die es machen. Unser Jäger nimmt mich mit auf die Jagd. Wir treffen uns in dunkler, nicht raschelnder und doch recht warmer Kleidung kurz vor der Dämmerung. Die Autotür bekam von mir etwas zu viel Schwung, der arme Jäger seufzte wie Homer Simpson ein hohes, kurzes NEIN. Gleich ein typischer Anfängerfauxpas von mir. Das geht ja gut los. Ich bekomme ein Fernglas und das ist ein Fernglas. Damit kann ich jedem und allem in die Augen gucken. Wir laufen auf eine Lichtung zu und halten inne. Eine Damwild- Mama grast rechter Hand von uns, sie verhält sich auffällig und er erklärt mir, woran man erkennt, dass ein Kalb im Dickicht liegt. Wir schleichen jetzt wie die Olsenbande und immer, wenn es nach oben schaut, verharren wir. Parallel zum Wild schützen uns jetzt Bäume und links ist ein Weizen/Roggenfeld. Ich höre ein Ohrenschlackern wie bei Hunden. Irgendwas ist im Feld. Wir schaffen es unerkannt auf den Hochsitz und es fängt an zu dämmern. 4 Hasen, noch 2 Damwilddamen und ein wunderschöner roter Fuchs (allerdings hinkte er) präsentierten unbekümmert unter uns ihre Show. Jetzt heißt es warten. Nach einer guten Stunde wusste ich, was für die Jagd und warum zum Abschuss frei gegeben war und in welchem Monat und zu welchen Zeiten geschossen werden darf. Rehe sind bei uns sehr selten geworden und besonders in seinem Gebiet. Aber wir schauen nach Wildschweinen. Während wir auf Bewegungen am Waldrand achten, ob ein Schwein ins Feld möchte, drehe ich mich zum Feld um. Ein Blick durch das Fernglas bestätigt, was meine Augen vermuten. 5 Wildschweine befinden sich auf dem Streifen zwischen Weizen und Roggen. Jetzt muss der Jäger entscheiden, ob wir unsere Tarnung aufgeben und hinunterklettern, um zum Feld zu laufen oder weiter warten. Während er überlegt, erklärt er mir, was die Wildschweine da so treiben. Aber auch ich konnte vor einigen Tagen ein Foto im Feld machen, in dem das Getreide durch das Wild fast komplett am Boden lag. Wir schleichen uns wieder hinunter und versuchen den Wind von vorn zu bekommen, was uns nicht ganz gelingen kann und wird. Während wir auf der Feldtrennung Richtung Wildschweine laufen und die Umrisse jetzt deutlich werden und an den Ohren schon scharf die Haare sich abzeichnen, denke ich an meine letzte Begegnung und mein Adrenalin schießt in die Höhe. Beim Jäger vor mir zwar auch, aber aus anderen Gründen. Was ist, wenn er trifft und die anderen auf uns zu rennen? Ich bekomme Kopfkino....Meine Gedanken überschlagen sich. Noch 10m sagte mir der Jäger später, dann hätte er ansetzen können, aber der Wind kündigte uns bei der Bache rechtzeitig an. Sie rannten zurück ins Feld und jetzt sahen wir auch die vielen kleinen Frischlinge. Wir schlichen zum Hochsitz zurück, aber es blieb bei den 4 Hasen, einen Fuchs und drei Damwilddamen. Dann versuchte doch ein Wildschwein zum Feld zu kommen, aber es war mittlerweile schon fast dunkel, so dass wir es zu spät bemerkten. Wir liefen im Dunkeln zurück zum Auto, mein Jäger war sichtlich enttäuscht mir nicht allzu viel vom Ablauf der Jagd zeigen zu können, aber für mich war es spannend und mehr als ausreichend was den Feldausflug betraf fürs Erste. Er erklärte mir, dass ihm die Bodenjagd bei Vollmond mehr liegt und dass das auch mehr mit Jagd zu tun hat und da muss ich ihm recht geben. Er ist eben wirklich ein richtiger Jäger. 

Fuch
Dachs
Damwild Mama mit Kalb
Wald
Sonnenaufgang

Wir wollen den Nachwuchs von Fuchs und Co. beobachten und machen uns, als die Sonne sich senkte, auf dem Weg. Wo sie wohnen, wissen wir längst.

Versuch 1: Wir gehen gerne hinten an den Weidezäunen lang, da sich Fuchs und Igel und Hase dort gern gute Nacht sagen. Dieses Mal stand die ganze Herde Rinder da. Ein Halbwüchsiger wurde nervös und warf seine Beine beim Rennen nach allen Seiten und der Lemmingtrieb war geweckt, die ganze Herde donnerte nach vorn, nur der Bulle blieb stehen und starrte uns an. Ein Bulle kann ganz schön groß sein. Die 5m trennte nur ein Elektrozaun und dieser würde einen energiegeladenen Bullen nicht abhalten. Während dem einen Hund und mir das unheimlich vorkam und wir zügig mit Blick Richtung Wald an ihm vorbei liefen, hielt der andere Hund Blickkontakt mit dem Bullen. Der Bulle wurde sichtbar nervös und fing an auszuatmen und zu scharren; denn direkt am Zaun lag eine Kuh. Sie hatte gerade gekalbt und das nasse schleimige "Etwas" erblickte an der ungünstigsten Stelle am späten Abend das Licht der Welt. Nicht nur wir stellen eine Gefahr dar, sondern auch der Wolf, denn er hätte in dieser Nacht leichtes Spiel. Jetzt wussten wir, warum dem Bullen die Nerven flatterten. Der Fuchs war natürlich weg.

Versuch 2: Eine Woche später an der gleichen Stelle pflückten wir die letzten Mirabellen und scheuchten den Fuchs auf. Die Hunde geraten außer Rand und Band und die halbwüchsigen Rinder erschrecken sich und steckten die ganze Herde an. Von ferner Weide stürmt der Bulle auf uns zu wie beim Rodeo oder Stierkampf mit gesenktem Kopf und hochgezogener Schulter. Uns wird bange. Der Zaun ist wertlos von innen nach außen bei der rollenden Masse, die sich auf uns zu wälzte. Ich versuche mit aller Kraft die Hunde ruhig zu halten und der Bulle kommt erst 10m vor uns zum Stehen und schabt wieder mit dem Vorderhuf. Mein Adrenalin ist jetzt ebenso hoch, wie das der Hunde und des Bullen nur haben wir eine unterschiedliche Fokussierung. Aber der Bulle wandte sich zur Seite. Welch ein Glück, die Attacke galt nicht uns, sondern den Halbstarken, die Unruhe in die Herde brachten aber mein Bedarf für heute war gedeckt.

*

Es war einer dieser Abende nach der Arbeit und wir gingen am Waldrand von Dorf zu Dorf nach Hause. Im Sausewind wurde die Wiese von den Hunden mehrmals umrundet. Es war noch sehr warm, daher waren sie schnell ausgepowert und trotteten wieder angeleint, neben mir her, so dass Spuren schnüffeln jetzt viel zu anstrengend war. So konnte ich 4 kleinen Damwildkälber in Ruhe beim Spielen zu sehen. Sie hüpften übereinander, aufeinander, rempelten und planschten in der Pfütze immer unter dem achtsamen Auge der Damwild Mama. Aber auch sie schaute genüsslich zu und bemerkte uns nicht. Während ich mich näherte und die Kamera einstellte, huschte mir ständig etwas ins Bild und nach 3 Jahren nur immer postum sah ich ihn live und in Farbe, den Dachs. Er kam auf uns zu, denn wir harrten genau an seiner Hausnummer. Die Hunde immer noch im entspannten Delirium blieben unbeeindruckt, als sich der Dachs verdutzt vor uns hinsetzte und erst jetzt aus seinen Träumen gerissen wurde und die Situation peilte. Sein Fell stellte sich auf und er nuschelte Missbilligung. Die Nahaufnahme misslang, da unsere Hunde die Leinen strafften und kontra gaben.

*

Früh am Morgen raschelte es neben uns im Roggenfeld, wir stocken. Während die Hunde ins 2m hohe Feld starren, starre ich, da ich größer bin, rechts von mir, keine 5m auf 12 Hirschgeweihe; was die Hunde nur riechen konnten, sah ich als Gefahr. Wenn die jetzt Panik bekommen, rennen sie mich um, dachte ich. Da habe ich keine Chance. Der erste Hirsch räkelt sich und wir stehen Auge um Auge. Das sind die Augenblicke, wo ich keine Kamera brauche. Der reine Genuss, so nah war ich einem Hirsch nur postum. Nach gefühlten Minuten verlor ein hinterer Hirsch die Nerven und raschelte. Da ertönte ein tiefes Wuff der Hunde. Alles schreckte zusammen. Sie wendeten abrupt und rannten durch das Feld, das danach leider mächtig Schaden durch das Wild genommen hat. Nach einem Zeit Vorsprung nutzen wir das als Spurensuche, und wir folgten den platten Halmen des Roggens.


Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, wie z.B. Open Streetmap welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Datenschutzinformationen